„Ich weiß nicht, ob ich Künstler bin, das sollen andere entscheiden. Ich schaffe und mache.“ Üze Oldenburg ist Bänkelsänger, Liedermacher und Drehleierbauer. Er musiziert auf privaten Festen, Kleinkunstbühnen, Festivals und „Aktionen“. Mal allein, mal als Mitglied der Gruppe „Mit voller Spielmannswucht“. Angefangen hat der heute 72-Jährige mit Fahrtenliedern, Beat und Folk. Nach dem 2. Lehrerexamen reiste er hauptberuflich als Straßensänger mit zumeist eigenen Gesängen in deutscher Sprache durchs Land. „Musik und Texte – also Lieder, Songs, Chansons – waren und bleiben mein Metier!“
„Ich hätte nach meinem 2. Staatsexamen sofort als Lehrer anfangen können, habe mich aber entschieden, weiter als Straßenmusikant zu leben.“ Er sagt ganz bewusst „Musikant“. „Musiker haben ihr Metier studiert. Ich war immer selbstständiger und freischaffender Autodidakt.“ Musiker träten auf einer erhöhten Bühne in Distanz zum Publikum auf, Musikanten gingen auf die Menschen zu – ganz im Sinne der Spielleute. Eine Mixtur aus Musizier- und Entertainmentkunst auf Augenhöhe.
„Ich drücke etwas aus, was ich diffus innerlich wahrnehme und zu begreifen suche. Ich gestalte es in eine textliche, musikalische und oft bildliche Form – und bringe es in einen kommunikativen Zusammenhang.“ Dabei fände sich die eigentliche Wahrheit zwischen den Zeilen. "Es geht – wie bei den meisten Schaffenden – fast immer um eine Selbstvergewisserung: Was ist mit mir in den kleinen und großen Zusammenhängen? Und umgekehrt, versteht sich. Ein uraltes Menschenthema!". Mit dem Ende, sich selbst „auf die Schliche zu kommen“.
14 Jahre zog der Musikant als freier Straßensänger zwischen Sonderburg und Genf am See durch die Städte. Als Liedermacher ist er der „singende Poet“, als Bänkelsänger sieht er sich in der formalen Tradition eines alten Jahrmarktsgewerbes, wie es von Bert Brecht, Emil Kästner, Wilhelm Busch oder Erich Mühsam formal adaptiert wurde. „Historisch waren die Bänkelsänger so etwas wie die Bildzeitung. Sie haben vorgeblich ‚Nachrichten‘ verbreitet, die auf die Vorstellungen des Auditoriums ausgerichtet waren. Zum Zwecke des Verkaufs ihrer 3-Groschen-Liederhefte.“ Wie die Bänkelsänger, die bis ins 19. Jahrhundert auf Märkten Europas anzutreffen waren, druckt Üze Oldenburg seine Texte als Heftchen für sein Publikum und arbeitet mit Bildtafeln, die seinen Auftritt illustrieren. Seine Instrumente sind Gitarre, Mundharmonika und Drehleier, manchmal auch Dudelsack.
Die Leier hat es ihm besonders angetan. Das erste Mal hat er sie bewusst wahrgenommen und gehört, als er in jungen Jahren per Anhalter nach Paris gefahren ist. „Ein Clochard hat eine Drehleier gespielt – dieses ‚Klanggerät‘ war für mich schier unglaublich!“ Ein Jahr später hat er für damals rund 900 Mark am Place de la Concorde seine erste eigene Leier gekauft. Er begann, in verschiedenen Museen zu forschen, um selbst Drehleiern nachzubauen und weiterzuentwickeln.
Was das Besondere an der Drehleier ist? „Sie ist ein mystisches Instrument. Die Ober- und Untertöne sprechen ganz bestimmte Seelenlagen an. Die Wirkungen sind nicht komplett kontrollierbar. Wohl deswegen galt die Drehleier auch als ‚teuflisches Instrument‘ und hatte ihren Platz im Kircheninstrumentarium nicht gefunden.“
Seit 1987 lebt Üze Oldenburg in Flensburg, „ein Küstenort, wo salziges Wasser und Land zusammentreffen“. Lange hatte er ein Schiff im Museumshafen liegen, den Nachbau eines alten Frachtseglers von 1790. „Mit dem bin ich 12 Jahre auch für Seebestattungen rausgefahren. Auf diesen Fahrten mit den Angehörigen habe ich viel Gutes erlebt – und in Folge sind daraus etliche Lieder entstanden.“
In den vergangenen auftrittslosen Monaten hat Üze Oldenburg an alten und neuen Texten gearbeitet, wie auch zu thematischen Drehleierkompositionen, etwa „Die Hetzjagd“, „Und eine weiße Perle rollt zurück ins Meer“ und weitere. „Ich hauche ihnen neues altes Leben ein und warte darauf, dass ich wieder auftreten kann.“
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