Draht "nach ganz oben"

Ihre Figuren stehen mit großen Füßen fest auf dem Boden, die Schultern selbstbewusst zurechtgerückt strecken sie sich in die Höhe – einige bis in die Haarspitzen. „Hier auf der Erde. Mit einem guten ‚Draht nach Oben‘“, heißt es in einem Text zur Vita von Tietze Schmuck. Seit 2004 lebt die 55-Jährige als freischaffende Holzbildhauerin.

Arbeiten von Tietze Schmuck haben einen hohen Wiedererkennungswert und jede einzige trotzdem einen individuellen Charakter – mit Erfahrungsspuren und einer „heiteren Melancholie“, fein bearbeitet, aber nicht glattpoliert. Je nach Lichteinfall sehen sie immer etwas anders aus. Auch die eigene Stimmung der Betrachtenden scheinen sie zu spiegeln. „Manchmal komme ich ins Atelier und frage mich ‘Warum gucken die so aufmüpfig?‘ Oft bin ich es in dem Moment dann einfach selbst“, sagt die Bildhauerin.

„Irgendwie sind alle Figuren auch immer ein bisschen ich“, erklärt sie. Dass viele – wie die Künstlerin selbst – rote Haare haben, hat aber einen anderen Grund: „Die Farben sind Symbole. Rot steht für Power. Blond ist luftiger, dunkle Töne erdig.“ Letztlich seien sich Menschen aber trotz aller Unterschiede sehr ähnlich: „Wir wollen alle lieben und geliebt werden“.

Neben menschlichen Figuren fertigt die gebürtige Nordfriesin unter anderem Skulpturen in Form von Häusern. Merkwürdige Kombination? Gar nicht, findet sie. „Menschen sind ein bisschen wie Häuser: Sie haben ‚Räume‘, die sie gut kennen, von einigen lassen sie die Türen lieber geschlossen und wieder andere haben sie noch nie betreten.“

Tietze Schmuck hat schon zahlreiche Räume ihres Lebens erkundet: Sie hat eine Tischlerinnenausbildung begonnen und in dieser Zeit einen Sohn geboren. Nach drei Jahren zuhause ist sie als Erzieherin „wieder rausgegangen in die Welt“, hat 1997 mit anderen Menschen die ehemalige Flensburger Funkerkaserne gekauft und zur Waldsiedlung Tremmerup umgebaut: morgens als Organisatorin, nachmittags als Handwerkerin.

Nach dem Einzug und völliger Verausgabung stieß eine Lebenskrise die Tür zu einem langgehegten Traum auf: Holzbildhauerin. Als 35-Jährige machte sie noch einmal eine Ausbildung. In ihrem Abschlussjahr an der Werkkunstschule Flensburg entstanden Tristan und Isolde. Sie waren noch etwas gröber als die aktuellen Figuren, sofort verkauft – und eindeutig Tietze Schmuck. Seit Ende 2020 gibt es auch einige Figuren in Bronze.

www.tietzekunst.de


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