Roald Christesen ist hochmotivierter und konsequenter Autodidakt. In Mathe, Physik, Chemie und Musik gehörte er zu den Klassenbesten. „Ich hatte einen sehr guten Musiklehrer. Wir haben auch mal Stockhausen gehört – und selbst gespielt.“ Eine besondere Klangbegegnung. „Aber die anderen Fächer haben mich einfach gelangweilt“, sagt der heute 57-Jährige. Nach der 10. Klasse hatte der daher für sich entschieden: Schule ist nicht mein Weg.
2022 hat der Klangkünstler im neuen Kulturraum KRAN am Nordertor sein Studio eröffnet. Oder besser: sein Klanglabor. [SoundCodes~ steht offen für alle, die Lust haben, Töne zu erforschen. Vorwissen ist nicht erforderlich. Eine Altersgrenze gibt es nicht. Auch den Entdeckungsmöglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt: „Sound ist ein weites Feld.“
Im Studio steht Klangtechnik aus unterschiedlichen Jahrzehnten: eine frühe, elektronische Orgel, Computer, analoge und digitale Synthesizer wie der DX-7 oder der Arp Odyssey. Ein kleines Museum der jüngsten Klanggeschichte. Allerdings eines, bei dem die Exponate weiterhin im Einsatz sind. „Die alten, analogen Geräte haben eine Klangcharakteristik, die man heute wieder sehr schätzt.“
Zwischen all der Technik, den Kabeln und Gitarren fällt noch etwas auf: eine quietschtürkisfarbene Hundehöhle aus Kuschelstoff. Ein Rückzugsort für den „Klangkörper“, der Roald fast überallhin begleitet: Pippa, eine Mischlingshündin aus dem Tierschutz, die gern Laut gibt, wenn sich andere Zwei- oder Vierbeiner ihrem aktuellen Wirkungskreis nähern.
Aber noch einmal zurückgespult: Nach der Schule hat Roald erst eine Lehre zum Zimmerer begonnen. „Mein Vater war Bootsbauer. Holzverbindungen und das Handwerkliche haben mich fasziniert.“ Freiberuflich ging es dann aber doch in eine andere Richtung. „Vom ersten Lehrgeld habe ich mir einen Synthesizer gekauft.“ In der Zeit hatte Roald unter anderem Scheiben von Kraftwerk und Tangerine Dream auf seinem Plattenteller, Pionierbands der elektronischen Musik.
Die Frage, wie man solche Klänge erzeugt, war sein Antrieb dafür, ins Programmieren einzusteigen. Er hat sich ein Buch über den Home-Computer und eines über die Programmiersprache C gekauft. Und ausprobiert. „Damals konnte man das alles noch ohne das digitale Grundrauschen kennenlernen. Selbstmachen mit der nötigen Ruhe ist großartig!“
Roald Christesen hat Programme geschrieben, mit denen sich – vereinfacht ausgedrückt – Instrumente an einen Computer anschließen und steuern lassen. „Handbücher dazu habe ich dann mit der Schreibmaschine geschrieben, kopiert und mit den Programmen zusammen verschickt – im Eigenvertrieb.“ Und er hat das wohl erste 3D-Animations- und Raytracing-Programm für den Atari ST geschrieben – ein Riesenerfolg. „Auf meinem Stand auf der CeBit 1992 habe ich sogar den ehemaligen Atari-Chef Jack Tramiel getroffen. Er fand klasse, was ich gemacht hatte. Leider ging Atari in dem Jahr pleite.“
„Ich bin dann eine Zeitlang in die grafische Dienstleistung gerutscht“, sagt Roald. Die größere Faszination hat aber die Musik: „Klang ist so viel vielschichtiger als das Visuelle.“ Immer auf der Suche nach dem noch nicht gehörten Klang ist Roald Christesen und neben seinem Job als Geschäftsführer einer kleineren Rats-Fraktion unter anderem Mitorganisator und Vorsitzender des define, eines deutsch-dänischen Festivals für elektronische Musik, und Mitglied des deutsch-dänischen Netzwerkes digital._k für Digitales in Kunst und Kultur. Und jeden 2. Sonntag öffnet er sein Klanglabor für elektroakustische und elektronische Musik mit Synthesizern und Computern. Für alle, die neugierig sind auf Programmierung, Generative Kunst, Visuals, Klangforschung und mehr. Klangkunst zum Selbermachen!
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