"Ich habe mich für die Keramik entschieden"

Am Anfang braucht Lea Valentin einfach einen Ausgleich zu ihrer Masterarbeit in European Studies. „Etwas anderes, als vor dem Laptop zu sitzen und zu denken.“ Es gibt eine VHS um die Ecke in Berlin, wo sie wohnt. Und diese VHS hat eine Drehscheibe – an der Lea schnell regelmäßig sitzt und Ton zu Gefäßen formt. „Es war perfekt!“

Nach dem Master folgen ein Jobangebot an der Europa-Universität in Flensburg und der Umzug in den Norden. Soweit alles gut, aber die Drehscheibe fehlte. „Ich habe mich auch hier umgeguckt, aber einfach nicht das Richtige für mich gefunden. Irgendwann haben meine Freund*innen vorgeschlagen, dass ich mir eine eigene Drehscheibe kaufen soll.“


Macht sie auch. Erst steht sie im WG-Keller. Viel Platz ist da nicht. Und überhaupt: Eine Drehscheibe ohne Ofen? Folgerichtig ist ein eigener kleiner Brennofen die nächste Investition. Aber eine Drehscheibe und ein Ofen ohne Werkstatt? Zusammen mit ihrem Freund Deniz mietet Lea eine kleine Werkstatt im Museumshafen an. „Da haben wir unsere eigenen Lieblingstassen entworfen, mit 3D-Druckern experimentiert und erste feministische Kunstwerke kreiert.“

Seit Frühjahr 2022 haben Leas Drehscheiben mehr Platz bekommen – in einer alten Industriehalle am Nordertor. Statt eines festen Jobs und des Ausgleichs an der Töpferscheibe hatte sie irgendwann gefühlt zwei Jobs. Eine Entscheidung musste her. „Ich habe mich gegen die Wissenschaft und für die Keramik entschieden.“ Im Oktober hat sich Lea mit Foerdeofen selbständig gemacht.


Ihre eigene Lust, an der Drehscheibe zu arbeiten, gibt sie jetzt in Workshops und Kursen weiter. „Ich mag den Austausch.“ Neben den Workshops vermietet sie daher auch Plätze an der Drehscheibe in ihrem Atelier. Außerdem fertigt die Töpferin selbst weiterhin Lieblingstassen und andere Gebrauchskeramik. Die Stücke, die in ihrer Werkstatt stehen, zeigen einen klaren, eher minimalistischen Stil. Die Farben sind überwiegend erdig, die Glasuren seidenmatt, mal kombiniert mit einem satten Blauton. „Ich möchte den Ton an sich herausarbeiten und das haptische Erleben in den Mittelpunkt stellen.“


Und sie taucht immer weiter ein in die vielseitige Arbeit mit Keramik. „Es gibt da unendliche Möglichkeiten, um sich auszutoben.“ Zum Beispiel, indem sie selbst Glasuren aus natürlichen Rohstoffen herstellt. Erste Experimente gab es unter anderem mit Buchenholzasche aus dem Kamin einer ehemaligen Wohnung von ihr. Neue Inspirationen holt sie sich auch in Weiterbildungen und im Austausch mit anderen Keramiker*innen.


Ein Teil ihrer Werke transportiert zudem gesellschaftspolitische Aussagen: feministische Kunst. Dazu gehört auch ein Becher, auf dem ein Uterus abgebildet ist, der den Mittelfinger zeigt – ein klares Statement für sichere Schwangerschaftsabbrüche. Und ein weiterer Beweis für die Vielseitigkeit von Keramik, auch in künstlerischer Sicht.


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