Greifbare Gefühle

„Ich male und zeichne ganz intuitiv. Wenn ich dann das Ergebnis sehe, verstehe ich oft erst, was ich fühle.“ Für Jennifer Höltken eröffnet ihre Kunst einen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen. Ihre Themen: Mobbing, Depressionen, Ängste, LGBTQ+ und Feminismus.


Eine zufrieden lächelnde junge Frau mit Pferdeschwanz, roten Wangen, einem dicken Bauch, angedeuteten Dehnungsfalten am Po und Haarstoppeln auf den Beinen. „Beauty“, so der Titel der 2018 entstandenen Zeichnung. „Ich bin selbst übergewichtig. Ich bin deswegen in meiner Schulzeit oft gemobbt worden.“ Auch in ihrer Kunst hat sie sich selbst anfangs nur abstrakt gemalt. Irgendwann hat sie dann eine Freundin gebeten, sie zu fotografieren – und hat sich auf Basis der Bilder zum ersten Mal selbst so gemalt, wie sie aussieht. Nicht abstrakt, sondern ganz bewusst so realistisch wie möglich. „Je mehr ich das gemacht habe, desto besser kam ich mit meinem Körper klar.“

 


Es war ein harter und langer Prozess, aber diese bewusste Auseinandersetzung hat ihr geholfen. Erfahrungen in der Kunsttherapie während eines längeren Klinikaufenthaltes wegen einer Depression waren ein wichtiger Anstoß dazu. Heute sagt sie von sich selbst, dass sie für sich einsteht, so wie sie lebt, aussieht und liebt: kreativ, übergewichtig, lesbisch.

Einige ihrer Werke waren 2020 in der Produktionsgalerie „In Kürze Kunst“ in der Norderstraße in ihrer Ausstellung „Körper und Wahrnehmung“ zu sehen. Dort verkauft sie seit zwei Jahren Originale, Drucke und andere Arbeiten. Jennifer Höltken präsentiert Bilder, die sie selbst und andere mit all ihren Mängeln und Macken zeigen – unretouchierte Wahrheiten. „Ich finde es wichtig, mich so wie ich bin und mit meinen Themen auch öffentlich zu zeigen – für die Menschen, die das vielleicht (noch) nicht können.“


Der Weg dahin war holprig: Auf das Abi folgten ein abgebrochenes Studium in Asienwissenschaften und eine Ausbildung zur Bürokauffrau – „aus heutiger Sicht so ziemlich genau das, was ich nicht machen wollte.“ Anschließend ein Anglistik- und Skandinavistikstudium mit dem Schwerpunkt Literatur, das sie wegen einer gesundheitlichen Krise ungeplant beendet hat.

Seit 2020 lebt die gebürtige Westfälin in Flensburg. Seit einigen Monaten arbeitet sie in einer Buchhandlung, wo sie auch schon mal bei der Schaufenstergestaltung unterstützt oder neue Lesezeichen entwirft. Neben dem Job bleibt aber genug Zeit für die Kunst: malen und zeichnen, mal mit einem Programm am Tablet, mal per Hand. Sie schreibt und illustriert an einem eigenen Kinderbuch, und sie singt. Zurzeit zwar nicht öffentlich, „aber Lust hätte ich schon.“ Auch das Ukulelespielen hat sie sich beigebracht. „Ich experimentiere eben gern mit unterschiedlichen Ausdruckformen.“


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