Flensburg, Harniskaispitze. Im großen Veranstaltungszelt und verteilt über das weitläufige Gelände rund um das Piratennest sitzen Frauen unterschiedlichen Alters. Sie malen, skizzieren, drucken ihre Ideen auf Papier – inspiriert von der Kulisse mit wilder Wiese, Fördeufer und Flensburger Werft. Friederike Thomaschki geht von einer zu anderen. In gemeinsamen Betrachtungen und Gesprächen begleitet und fördert sie die individuellen künstlerischen Arbeiten jeder Einzelnen. Der Plein-Air-Malereikurs Ende Juni ist einer ihrer vorerst letzten.
Corona war hart für die freiberufliche Künstlerin, die in den vergangenen Jahren überwiegend von ihren Kunstkursen, Wochenend- und Ferienseminaren gelebt hat – unter anderem am Flensburger Museumsberg und in der Internationalen Bildungsstätte Jugendhof Scheersberg. Diese Einnahmequellen fielen mit den Lockdowns weg. In den Sommern konnte sie – zumindest eingeschränkt – Kurse im Freien anbieten. Wie es im Herbst weitergeht, ist erneut unsicher. Auch deswegen hat sie sich entschieden, ihre eigene Kunst wieder in den Fokus zu rücken. „Es ist ein großer Fundus da. Ich möchte da jetzt hineingreifen können und wieder mehr als Künstlerin denn als Pädagogin arbeiten.“
Ihr Fundus hat sich unter anderem in ihrer Kindheit, ihrer Lehre als Lithografin, während ihrer Zeit an der Kunstschule Kalkreuter in Hamburg angesammelt, in ihrem Studium an der Muthesius-Hochschule in Kiel, ihrer pädagogischen Ausbildung zur und der Arbeit als Waldorflehrerin, ihrer Zeit als alleinerziehende Mutter von Sohn Leander – heute Jazzmusiker – und ganz generell durch ihre offene Wahrnehmung. „Wenn ich offen durch die Welt gehe, fließt alles durch mich durch. Ab und zu bleibt etwas hängen und wird dann zum Thema einer künstlerischen Auseinandersetzung.“ Ihre Arbeiten waren und sind unter anderem im Hamburger Kunstforum Kalkreuter sowie in Ausstellungen der GEDOK Schleswig-Holstein, einer Gemeinschaft von Künstlerinnen und Kunstfördernden mit Hauptsitz in Lübeck, sowie des in Dänemark gegründeten Kunstvereins „Flensborg Fjords Kunst & Kulturforening – ffkk“ zu sehen. 2020 war sie u. a. an der Ausstellung „Flensburg kauft Kunst“ zur Förderung von Flensburger Künstler*innen beteiligt.
Wenn sie künstlerisch arbeitet, braucht Friederike Thomaschki die Versenkung, die Muße. Das Abtauchen in ihre Kunst. Das ging in den vergangenen Jahren nur selten. Aber es ging. Ein Beispiel dafür waren drei intensive Tage im Juli 2020 als Artist in Residence in der NORDER 147. Unter dem Titel MindestANstand hat sie sich künstlerisch mit den durch die Pandemie veränderten zwischenmenschlichen Beziehungen, ganz konkret den Einschränkungen des menschlichen Kontaktes, auseinandergesetzt. Sie hat Atelierbesucher*innen die Handflächen mit Farbe bemalt und sich durch ein Tuch die Hand geben lassen – eine zuvor alltägliche Geste, die viele Menschen vermissen. Sie hat gedruckt, genäht und gemalt. „Ich habe die drei Tage nicht geschlafen und durfte endlich einmal wieder nur Künstlerin sein.“
Nach dem Kurs an der Harniskaispitze also startet ihre erneute Versenkung in ihre eigene Kunst – diesmal länger als drei Tage. Ob sie davon leben kann? „Ich habe ein paar Mal in meinem Leben erfahren, dass die Dinge gut werden, wenn ich sie einfach los lasse und auf das vertraue, was sich entwickeln will.“
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