Dorf mit vielen Gesichtern

Flensburg hat viel zu bieten, manches ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, anderes selbst Einheimischen fremd. Unsere Autorin Imke Voigtländer biegt in versteckte Gassen ab, guckt in die Vorgärten oder macht auf nur scheinbar Uninteressantes am Wegesrand aufmerksam. Diesmal geht es vom Wilhelminental bis zum Tegelbarg.

Die Texte und Fotos der ersten sieben Etappen finden Sie zum Herunterladen oder Anklicken weiter unten.


Flensau und Mühlenstrom lasse ich hinter mir. Mein neuer Wegabschnitt beginnt mit einem Gang durch einen kurzen Tunnel. Über mir verlaufen Bahnschienen. Direkt hinter dem Tunnel fällt mein Blick auf eine kleine, einladende Gebäudeanlage. Es ist auch bekannt als das Haus am Mühlenstrom, der im Wilhelminental beginnt und in den auch die Flensau mündet, die ich auf der vorangegangenen Etappe entdeckt habe. Ein kleines Bild im Dachgiebel gibt einen Hinweis auf das Baujahr des Gebäudes: „Wilheminenthal“ steht dort und die Jahreszahl 1840.


Mein Weg führt aus dem Tal heraus, bergauf und parallel zu den Bahnschienen. Rechterhand steht ein Schild im Grün: „Betriebsgelände. Betreten und befahren für Unbefugte verboten“, steht darauf. Absender sind die Mitsubishi HiTech Paper Europe. Das Unternehmen geht auf eine der Mühlen zurück, die hier einst mit der Wasserkraft des Mühlenstroms angetrieben wurden. Da ich aber wohl zu den Unbefugten gehöre, werde ich mich hier besser nicht näher umsehen.


Oben angekommen stehe ich vor der Husumer Straße. Links die Bahnschienen, rechts eine Tankstelle. Auf der gegenüberliegenden Seite beginnt die Rude. Dieser Stadtteil ist heute mein Ziel.

Ich überquere die viel befahrene Ausfallstraße. Auf der rechten Seite, direkt am Anfang vom Tegelbarg in der Hausnummer 63, haben die Waldquallen ihr Quartier. In dem kleinen Start-up werden mitten in Flensburg Speisepilze angebaut. Austern-, Rosen- und Kastanienseitlinge wachsen hier in recycelten Plastikeimern auf recyceltem Kaffeesatz. Im Gastraum eines ehemaligen Restaurants stehen, geschützt in zwei Zelten, die das ganze Jahr über herbstliche Bedingungen simulieren, rund 30 bis 50 Eimer. Frisch geerntet werden die Pilze in kleine Lebensmittelläden und zu Cafés geliefert, von denen die Waldquallen auch ihren Kaffeesatz beziehen.


Nach den Waldquallen nehme ich die erste Straße rechts: den Lundweg. Schon bin ich mittendrin in diesem besonderen Quartier. Mit Grundschule, Kiosk, Friseursalon, Kirche und Co wirkt es wie ein kleines Dorf. Und das nur einen Katzensprung von der Flensburger Innenstadt entfernt. Der Brötchen und Plattenservice „Rude“ hat leider geschlossen, als ich durch das Quartier schlendere, dafür aber morgens ab 5 Uhr geöffnet, wie ein Schild verrät!


Die Rude ist ein Dorf mit vielen verschiedenen Gesichtern: Hinter kleinen Einfamilienhäusern aus dem für Flensburg so typischen gelblichem Ziegelstein erheben sich mehrstöckige Wohngebäude mit hellgelben Balkonen. Zwischen den Gebäuden gibt es grüne Spielflächen. In der Straße, die heißt wie der Stadtteil – Rude – fällt der Blick auf moderne, modular gebaute Wohngebäude. Elf neue Gebäude hat der SBV in den vergangenen Jahren hier im Stadtteil gebaut.


Von der Rude aus biege ich rechts in einen kleinen Weg ab, der direkt auf die Merveldstraße zuführt. Wegweiser ist ein spitz in den Himmel ragender Turm., der Kirchturm der Pauluskirche. Zusammen mit dem Kirchengebäude will er einfach nicht auf ein einziges Bild passen. Er braucht zwei...


Die Tür steht offen. Das lasse ich mir nicht entgehen – und entdecke ein leuchtend blaues Schmuckfenster.


Wieder draußen werde ich von Kinderlärm begrüßt. Direkt gegenüber der Kirche ist ein großer Kinderspielplatz. Mein Eindruck von heute: Die Rude ist wirklich wie ein kleines Dorf in der Stadt: lebendig und vielseitig.

Ich biege noch links in die Diblerstraße ab und von dort aus wieder in den Tegelbarg. Für die kommende Etappe möchte ich erkunden, wohin der kleine Weg am Ende des Parkplatzes führt, der auf der anderen Seite der Schleswiger Straße liegt...


Bildquelle: Imke Voigtländer

Die bisherigen Etappen des Stadtspaziergangs zum Nachlesen:

Teil 1: Ostsee pur!
Teil 2: Von Sonnenhängen und süßen Tüten
Teil 3: Versteckte "Hinterhof-Parks"
Teil 4: Geheimnisvolle Logen
Teil 5: Fit durch Flensburg
Teil 6: Stille Liebe und Tortenwerkstatt
Teil 7: Wo fließt sie denn, die Flensau?