Willkommen im Farbentheater

„Ein Bild ist für mich wie eine Theateraufführung: Jede Farbe hat ihren Auftritt.“ Jedes Bild ist am Ende eine Premiere, und er ist der Regisseur: Aurelius Wendelken. Seine Leidenschaft für das Malen hat der 36-Jährige während seiner Ausbildung zum Schiffsmechaniker wiederentdeckt.


„Impulsiv und farbenfroh“, so könnte der Untertitel der Stücke lauten, die Aurelius mit Pinsel, Rakel oder auch einfach mal einem Stück Holz zur Uraufführung auf die Leinwand bringt. Welche Farben gehören zur Besetzung? Welche Töne übernehmen welche Rolle? Seine Darsteller castet er aus drei großen Ordnern – voll mit Farbmustern, selbst angemischt, farblich sortiert und mit Angabe des Mischungsverhältnisses abgelegt. Die einzelnen Farbkarten stecken in ausgedienten Kunststoffeinlegeblättern für Pokémon-Sammelkarten.

Gebrauchte Dinge umzuwidmen oder aussortiertes Material wieder zu verwenden passt gut in das Konzept des Künstlers. Die Farben und Leinwände, die sich in seinem kleinen Atelier in der Begegnungsstätte KulturRaumAmNordertor, kurz KRAN, sammeln, stammen größtenteils aus Atelier-Auflösungen.


„Manchmal sieht es so aus, als ob die dunklen und kräftigen Farben die Hauptrolle bei einem Bild übernähmen. Aber dann erobert doch eine helle Leuchtfarbe die Leinwand.“ Die Bilder entstehen in mehreren Schichten. Zwischendurch müssen die Farben trocknen. Meist arbeitet Aurelius an vier bis fünf Bildern gleichzeitig. Für jedes Bild hat er eine Idee im Kopf, die sich dann während des Prozesses weiterentwickelt. „Manchmal denke ich zwischendurch: Das wird nichts. Aber dann kommt eine Farbe oder ein Strich dazu und es passt total gut.“


Aurelius kommt aus einer Künstlerfamilie. Der Vater malt, die Mutter ist Kunstpädagogin. Auch er fängt früh mit dem Malen an, denkt sich aber anfangs: „Du wirst nicht Maler. Da verdienst du nix.“ Während eines längeren Hamburgbesuchs verdient er sich auf dem Rathausplatz Geld mit Polaroid-Fotos, bekommt über einen Kunden Kontakt zum Schulschiff Fridtjof Nansen, geht dort als Decksjunge an Bord und bleibt ein halbes Jahr. „Ich bin sogar einmal über den großen Teich“, erzählt er. Als der Traditionssegler verchartet wird, geht es über neue Kontakte weiter auf große Fahrt. „Auf so einem Containerschiff ist nicht so viel zu tun. Ich hatte Zeit und wenig Ablenkung. Das Malen war da ein super Ausgleich.“

Bis 2010 ist er auf immer wieder auf See. „Ich war in Namibia, im Kongo, in Taiwan, China, habe Land und Leute kennengelernt und jede Menge Eindrücke gesammelt." Dann wurde es Zeit. „Ich wusste, wenn ich jetzt nicht den Absprung schaffe, bleibe ich auf dem Schiff.“ Sein Geld verdient er anschließend mit Website-Programmierung – erst in Brunsbüttel, dann in Hamburg. Aber das Malen nimmt immer mehr Platz ein. „Du bist ein geborener Kunstbube“, hat ein Freund aus seiner süddeutschen Heimat einmal gesagt. Kunstbube – das ist seither sein „Markenname“. 2022 tauscht er den Trubel der Großstadt bewusst gegen ein Leben in Flensburg.


Seine Bilder stellt Aurelius als Fotos auf verschiedenen offenen Plattformen ein, wo sich alle seine Werke runterladen und ausdrucken können. „Ich finde, dass Kunst frei sein sollte.“ Sie werden gern für Blogs genutzt. Ein Werk von ihm wird auf dem Eröffnungstransparent einer Demonstration für Frauenrechte gedruckt. „Das finde ich klasse!“ Nur die Originale verkauft er. Übrigens immer ohne einen Titel und nur auf der Rückseite signiert. Auch hier hat die Freiheit der Kunst für ihn absoluten Vorrang. „Wer meine Bilder betrachtet, soll selbst entscheiden können, was er oder sie darauf sieht – und auch, wie das Bild aufgehängt wird.“


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